zurück

Rezensionen

Barbara Innecken: "Weil ich euch beide liebe"

Unter dem Titel "Weil ich euch beide liebe" ist Barbara Innecken ein wirklich lesens-, wissens- und bedenkenswertes Buch zur systemischen Pädagogik gelungen. Das Buch will als ein Handbuch Eltern, ErzieherInnen und LehrerInnen in die systemischen Erkenntnisse und das daraus abgeleitete Handeln einführen. Durch praktische Übungen und anschauliche Beispiele gelingt es der Autorin, auch den systemisch nicht vorgebildeten Leser systemisches Wissen erleben zu lassen. Barbara Innecken betrachtet "das Kind" nicht isoliert, sondern in dem vielfältigen Beziehungsgeflecht wechselnder sozialer Systeme. Die zahlreichen Fallbeispiele aus der pädagogischen und therapeutischen Praxis zeigen, welche systemischen Ordnungen in der Familie, im Kindergarten und in Schulen wirken.
Das erste Kapitel "Was heißt hier systemisch" führt uns über die Systemtheorie zu den systemisch-phänomenologischen und den systemisch-konstruktivistischen Ansätzen. Bezogen auf die Entwicklung des Kindes entwirft Barbara Innecken ein Bild von den zwei manchmal im Widerstreit liegenden Ansätzen, die sie vereint, ohne die Unterschiede zu verwischen. Als Bildnis wählt sie hierfür einen breiten "systemischen Strom", an dessen Ufer zwei Häuser stehen, die mit einer Brücke verbunden sind. Die Häuser beherbergen je einen der genannten systemischen Ansätze und symbolisieren zwei paradox anmutende Grundsätze in der Entwicklung des Kindes: Das Eingebundensein auf der einen Seite und die Eigenständigkeit auf der anderen Seite. In der systemisch-konstruktivistischen Auffassung geht es um die Entwicklung der Eigenständigkeit des Kindes, das sein Leben gestaltend in die Hand nimmt. Im systemisch-phänomenologischen Ansatz hingegen liegt der Schwerpunkt mehr auf dem Eingebundensein des Kindes in seine Familie und in andere Systeme. Die Brücke zwischen diesen beiden "systemischen Häusern" bildet das von Eva Madelung begründete Neuro-Imaginative Gestalten (im folgenden NIG genannt), das beide Ansätze in sich vereint.
Die im NIG verwendeten Skizzen und Zeichnungen sind es dann auch, die die folgenden Kapitel wie einen roten Faden durchziehen. Im zweiten Kapitel "Wir gehören zusammen - das Kind und seine Familie" geht es um die systemischen Grunddynamiken, die in Familien wirken. Mit Hilfe von Fallbeispielen, die durch die miteinbezogenen Zeichnungen sehr anschaulich wirken, geht die Autorin auf Störungen dieser Grunddynamiken ein. Gemeinsam mit den betroffenen Eltern macht sie sich auf die Suche nach Lösungen für das Kind, das mit Lernstörungen, Verhaltensauffälligkeiten oder emotionalen Problemen auf Störungen der Familienordnungen hinweist.
Im dritten Kapitel "Der Schritt nach draußen - Das Kind und die öffentliche Erziehung" erweitert sich das Beziehungsgeflecht des Kindes, denn Lernen und Entwicklung geschieht auch in Kindergärten und Schulen in Beziehungen. Wie in der Familie, so wirken auch in der öffentlichen Erziehung unsichtbare Ordnungen. Kennen PädagogInnen und LehrerInnen diese Ordnungen, so werden sie in ihrem oft schwierigen Lehr- und Erziehungsauftrag entlastet. Barbara Innecken geht in diesem Kapitel auf die Beziehungen des Kindes zu den PädagogInnen und den Mitschülern ein, besonderen Wert legt sie aber auch auf die Beziehungen der PädagogInnen untereinander und zu den Eltern des Kindes: die Art und Weise, wie alle am Erziehungsprozess Beteiligten miteinander umgehen, prägt das soziale Verhalten und die Lernbereitschaft des Kindes in hohem Maß.
Waren das zweite und das dritte Kapitel dem systemisch-phänomenologischen Ansatz mit dem Schwerpunkt "Eingebundenheit" gewidmet, so wechselt die Autorin im vierten Kapitel auf die andere Seite des Stromes – den systemisch-konstruktivistischen Ansatz. Unter der Überschrift "Systemisches Handeln - Beispiele für die Praxis" beschäftigt sie sich mit der Unterstützung der Eigenständigkeit, der Lebensgestaltung und der Selbstverantwortung des Kindes. Mit ressourcen-, ziel- und lösungsorientierten NIG Übungen werden Kinder, Eltern und PädagogInnen eingeladen, sich ihrer Kraftquellen bewusst zu werden, Ziele ins Auge zu fassen oder Konflikte einmal durch die Augen des anderen zu betrachten. An dieser Stelle kommt auch die "brückenschlagende" Wirkung des NIG zum Tragen: nämlich dann, wenn die Arbeit an der Eigenständigkeit und der persönlichen Lebensgestaltung an Grenzen stößt, die mit familiären Verstrickungen und der Treue zum Familiensystem zusammen hängen. Die Einbeziehung beider "systemischer Häuser" kann sich in einem solchen Fall als große Entlastung und Erleichterung erweisen.
Barbara Innecken ist mit "Weil ich euch beide liebe" ein lehrreicher und lesenswerter Beitrag zur systemischen Pädagogik gelungen. Die angegebene Literatur zeigt die zeitnahe Einbettung des Buches in den Strom des systemischen Wissens und Forschens, ist weiterführend und angenehm gefasst. Die vielen anschaulichen Praxisbeispiele machen es zu einem hilfreichen Ratgeber für interessierte Eltern. Mir scheint dieses Buch jedoch nicht nur für das alltägliche Familienleben wertvoll, sondern auch für die berufliche Orientierung von PädagogInnen. Für diese stellt es ein Grundlagenwerk systemischen Lehrens und Lernens dar. Ich kann dieses Buch allen an systemischem Denken und Handeln Interessierten wärmstens empfehlen – es liest sich wie eine Art "systemischer Lehrgang". Dem Buch ist zu wünschen, dass es auch die Kreise erreicht, die in ihrer politischen und gesellschaftlichen Verantwortung für Bildung und Familie nach zeitgerechten Lösungen suchen. Das in diesem Buch gesammelte menschliche und pädagogische Wissen kann ihnen dabei sicher helfen.
Laszlo Mattyasovszky in: Praxis der Systemaufstellung 1/2007

Jeder, der mit Kindern lebt und arbeitet, kann von diesem Buch profitieren. Ich selbst bin Mutter, Trainerin und Coach, unterstütze seit vielen Jahren Erwachsene (meist Führungskräfte) beim Lösen ihrer beruflichen Themenstellungen, seit einigen Jahren auch bei privaten Themen (Beziehungsprobleme) und seit einiger Zeit (ca. 2 Jahren) finden auch Kinder zu mir. Die Probleme der Kinder sind vielfältig: Schulschwierigkeiten, Leistungsprobleme, Trennung der Eltern, Ausschluß aus der Klassengemeinschaft, Tod eines Elternteils etc. Die Kinder leiden sehr. Vor Jahren habe ich die Arbeit von Barbara Innecken kennengelernt und wende die im Buch beschriebene Arbeit an. Es ist wunderbar zu sehen, wie Kinder, aber auch Erwachsene, von dieser Arbeit profitieren. Sie finden wieder Lösungen für vorher unüberwindbare Probleme. Barbara Innecken beschreibt im Buch sehr gut und anschaulich die beiden Ebenen, die hilfreich und notwendig sind, um Probleme zu lösen. Kinder brauchen den Rückhalt Ihrer Familie - wie ein Baum seine Wurzeln, um wachsen zu können und sich zu entfalten. Sie brauchen Ihren Platz und möchten wissen, zu wem sie gehören. Für sie gehören alle dazu. Dies erfordert von uns Erwachsenen, dass wir bereit sind, hinzuschauen, wenn ein Kind "Probleme macht"- und unsere Aufgaben annehmen und lösen, als Erwachsene, Eltern, Lehrer und Erzieher. Sehr hilfreich und praktikabel beschrieben sind auch die beschriebenen Übungen. Durch "Kraftbilder" werden Kinder und Erwachsene an Ihre eigenen Stärken erinnert, sie erfühlen sie und gehen so gestärkt an die Lösung. "Durch die Augen des Anderen sehen" kann so manchen Konflikt verändern und dabei helfen ihn zu lösen. Pädagogen profitieren im Besonderen von diesem Buch, erhalten fachkundige, systemische Anregungen, die für sie praktikabel sind. Im Kapitel "Was Pädagogen stärkt" wird beschrieben, was sich auch in der Wirtschaft bewährt - systemische Teamarbeit. Zusammenfassend möchte ich mich bei Frau Barbara Innecken für dieses sehr gute Buch bedanken. Ich werde es mir bekannten Eltern, Lehrern, Erziehern ans Herz legen und möchte es auch Ihnen wärmstens empfehlen. Jeder, der es liest, kann für sich und seine "Schützlinge" etwas positives und hilfreiches herausnehmen und direkt anwenden.
Martina Rückel, Coach und Trainerin, Zusmarshausen

Dies ist ein Buch aus der Praxis für die Praxis für Eltern; Lehrer, Erzieher, für alle die Kinder auf ihrem Lebensweg begleiten. Es lädt ein, Kinder "systemisch" wahrzunehmen. Das bedeutet einerseits, die Kinder in ihrer tiefen Liebe und Verbundenheit zu den Eltern zu sehen. Ihre Nöte und Schwierigkeiten können Ausdruck ungelöster Themen in der Familie sein, die manchmal aus früheren Generationen kommen. Es bedeutet andererseits, bei Konflikten, die Aufmerksamkeit der Kinder auf Lösungen und hilfreiche Ressourcen zu lenken. Welch positive und entlastende Wirkung dies hat, wird an vielen berührenden Beispielen aufgezeigt. Ein kurz gehaltener theoretischer Teil gibt wichtige Informationen zur Geschichte und zu den wesentlichen Bausteinen der systemischen Sichtweise. Mit großer Sorgfalt sind die zahlreichen Übungen beschrieben, die jeder für sich und mit anderen erproben kann.Dabei können erste und wesentliche Erfahrungen zur systemischen Wahrnehmung gemacht werden. Für "systemisch Erfahrene" bieten sie kreative Anregugnen. Die systemische Sicht erscheint einfach, aber es braucht Geduld, Achtsamkeit und Zeit um in sie hineinzuwachsen. So ist das Buch eine Hilfe zur Selbsthilfe ohne außer Acht zu lassen, daß es Grenzen gibt und daß immer wieder professionellle Hilfe angesagt ist. Aus jeder Zeile spricht die Liebe der Autorin zu den Kindern und ihr Wunsch, systemisches Denken, Fühlen und Handeln als etwas Selbstverständliches in den Alltag zu integrieren. Die Motivation dazu ist ihr bestens gelungen.
Lisa Böhm, Praxis für systemische Lösungen, München

"Weil ich euch beide liebe" ist eine klare, präzise Zusammenfassung der Möglichkeiten, die die systemische Arbeit im pädagogischen Bereich in sich birgt. In der Einführung vermittelt Barbara Innecken dem Leser zunächst ein Verständnis über die Anschauungen des systemischen Ansatzes. Sie spricht hierbei vom konstruktivistischen Ansatz, der die Selbstbestimmung und die Arbeit mit der eigenen Kraft und den Ressourcen im Blickfeld hat und dem phänomenologischen Ansatz, dessen Schwerpunkt das Thema "Eingebunden sein in ein Familiensystem" ist. Als Leser spürt man, wie Frau Innecken diese beiden Bereiche durch ihre praktische Arbeit und Selbsterfahrung "an ihrer eigenen Familie" tatsächlich erlebt hat. Liebevoll vereint sie die beiden zunächst widersprüchlich klingenden Ansätze und vermittelt dem Leser dadurch, dass der Konflikt für jeden auch ein Stück weit lösbar ist. Barbara Innecken unterteilt ihren praktischen Ratgeber in zwei Bereiche, einen der seinen Schwerpunkt auf die Eltern legt und einen, der speziell für die Pädagogen ausformuliert ist. Eltern finden im ersten Teil nicht nur Möglichkeiten, das Verhalten ihres eigenen Kindes in einem größeren Zusammenhang zu betrachten, sondern auch sich selbst in Bezug auf ihre eigenen Eltern neu zu erfahren. Es tritt hierbei eine Gefühl der Relativierung und Entlastung beim Lesen ein, denn jeder von uns ist in einem größeren Kontext betrachtet auf eine bestimmte Weise eingebunden- und so wird das eigene Verhalten, sowie das Verhalten der Kinder bestimmt. Einfach nachzuvollziehende, deswegen aber nicht minder eindrucksvolle Fallbeispiele aus ihrer eigenen Praxis ergänzen das theoretische Verständnis. Der pädagogische Teil des Ratgebers ist natürlich ebenso für Eltern interessant zu lesen. Der Leser erfährt mehr über die Zusammenhänge, die innerhalb einer pädagogischen Einrichtung wirken. Außerdem bleibt auch der eigene Blick in den Spiegel nicht außen vor: auch der Pädagoge hat Eltern und ist durch jene Verstrickungen seines eigenen Familiensystems manchmal nicht so frei, wie er sich das wünschen würde. Auch in diesem Teil der wunderbaren Seiten von Barbara Innecken finden sich wieder Fallbeispiele zu den unterschiedlichen Themen des pädagogischen Arbeitsfeldes: die Arbeit mit dem Kind, mit den Eltern des Kindes, mit den eigenen Eltern usw. Für die praktisch orientierten Leser finden sich im gesamten Text, vor allem am Schluss, immer wieder kleine Übungssequenzen, durch deren Ausführung man das Gelesene nachvollziehen und vertiefen kann. Das macht dieses Werk nicht nur zu einem Lehr-, sondern auch zu einem kreativen Selbsterfahrungsbuch. Der Kösel-Verlag bietet dem Leser durch die übersichtliche Seiten- und Überschrifteneinteilung und die gut lesbare und freundliche Schrift ein augenfreundliches Printprodukt. Festes Papier gibt dem Buch nicht nur inhaltliche sondern auch haptische Qualität, die sehr überzeugt und ihren Preis mehr als wert ist!
Oliver Unger, Autor "Endlich ehrlich zu mir selbst", Wuppertal